„Man wächst halt nur außerhalb seiner Komfortzone.“- Ein Interview mit Kupferfuchs: Teil 1

Auf unserem Blog gab es schon häufiger Interviews und Kooperationen mit kreativen Menschen, und genau so jemanden haben wir auch vor einigen Monaten schon auf der RPC getroffen: die liebe Nadine, besser bekannt als Kupferfuchs. Seit 2015 ist Kupferfuchs auf Youtube aktiv, anfangs mit Comedy Videos. Mittlerweile ist eine Umstrukturierung des Kanals erfolgt, hin zu den Themen Backen, Basteln und Bauen. Wobei, gebastelt wurde eigentlich schon immer viel. Aufgrund des wahnsinnig großen Andrangs auf der RPC haben wir uns lieber für ein Interview im entspannten Rahmen via Skype und mit einem großen Kaffee in der Hand verabredet. Im ersten Teil unseres sehr netten und ausführlichen Gesprächs ging es unter anderem um die Verantwortung, die man als Person des öffentlichen Lebens hat, um Pläne zur Selbstverwirklichung und die Selbstständigkeit als Traumjob. Aber lest selbst! 

MissGeek: Auf der RPC wurdest du ja von Leuten jeden Alters belagert, aber die Mehrheit schien doch ziemlich jung zu sein. Ist es denn tatsächlich so, dass du auch viele deutlich jüngere Fans und Zuschauer hast, die dich als Vorbild und Idol betrachten?

Kupferfuchs: Ich hätte gar nicht gedacht, wie jung die teilweise sind. Die meisten sind ungefähr so alt wie wir, also in den Zwanzigern. Aber ich hatte auf der RPC zum Beispiel auch ein paar Grundschüler dabei, die mit ihren Eltern da waren. Da dachte ich mir schon ‚Oh, vielleicht sollte ich in den Videos doch ein bisschen mehr auf meine Aussprache achten‘ Aber das waren nur so ungefähr zwei Hände voll – vielleicht 10 oder 12 Kinder. Es kamen auch mehr Schüler als ich gedacht hätte, im Schnitt so etwa 14 – 15-jährige. Aber der Großteil ist schon in etwa so alt wie ich, oder ein bisschen jünger. Ich bin ja schon alt. (lacht).

Miss Geek: Fühlst du dich denn teilweise als Vorbild? Oder hast das Gefühl, dass du sehr aufpassen musst was du sagst oder zeigst? Da gab es ja vor einiger Zeit diese Story auf Instagram, wo der Aschenbecher deiner Mutter im Bild zu sehen war …

(Quelle: https://www.instagram.com/kupferfuchs/)

Kupferfuchs: (stöhnt) Ach, ja. Ich seh mich eigentlich gar nicht so, sondern werde immer eher in diese Rolle hineingezwängt, glaube ich. Weil sich dann Leute automatisch ein Vorbild nehmen. Ich habe aber an mir gemerkt, dass ich häufiger darüber nachdenke, weil es ja auch oft Feedback gibt. Bei der Sache mit dem Aschenbecher habe ich aber zum Beispiel gar nicht weiter drüber nachgedacht. Wenn ich rauchen würde, dann würde ich halt rauchen. Das wäre dann ja meine Sache ob ich das mache oder nicht. Aber ich habe dann am Feedback schon gemerkt, dass ich schon im Vorfeld darüber nachdenke wie das wohl wirkt, oder wie das bei den Leuten wohl ankommt wenn ich Dinge tue oder poste. Ganz dummes Beispiel jetzt, aber das kennt sicher jedes Mädchen wenn man morgens vor dem Spiegel steht, unzufrieden ist und sich denkt ‚ … fetter Oberschenkel, total doof …‘ – so etwas hätte ich früher vielleicht gepostet, mache ich jetzt gar nicht mehr. Ich denke einfach, dass das total falsch ankommen könnte und Mädels die ein wenig unsicher sind sich dann ein Beispiel an mir nehmen könnten und denken ‚Oh, wenn sich mein Vorbild schon scheiße findet, wie bin ich dann?‘ Ich bin nicht mit der Intention an die ganze Sache herangegangen, für irgendjemanden ein Vorbild zu sein. Mein Intention war immer nur meine Denkweise zu teilen und zu sagen ‚Ich seh das soundso, vielleicht habt ihr ja Bock euch das auch mal so anzugucken‘ Aber mittlerweile bin ich von der Community dahingehend erzogen worden, dass ich ein wenig aufpasse was ich poste, und im Vorfeld vielleicht zwei mal drüber nachdenke. Ich will das jetzt nicht pauschalisieren, aber ich glaube, dass man wenn man nur konsumiert schneller mal einfach so irgendetwas postet ohne vorher darüber nachzudenken, als wenn einem tausende von Leuten folgen. Man muss also tatsächlich ein wenig Verantwortung lernen, oh-oh.

MissGeek: Ist da schon ein gewisser Druck dahinter, oder ist das alles noch ganz entspannt?

Immer mit dabei: Emma und Ole (Quelle:https://www.facebook.com/Kupferfuchs/)

Kupferfuchs: Ich glaube, den Druck mache ich mir meistens selber. Es gibt Themen wie zum Beispiel mit dem Rauchen oder auch mit meiner Ernährung, die einfach 100%-ig meine Sache sind. Wenn dann aber Leute dazu etwas schreiben fühle ich mich wahnsinnig schnell getriggert, weil ich mir denke ‚STOP! Das ist total meine Sache, du darfst dich hier einfach nicht einmischen!‘ Dann muss man sicher aber auch ganz schnell wieder bewusst machen, dass man ja in der Öffentlichkeit steht und die Leute das halt sehen. Die Vorteile die man daraus hat sind halt Gleichzeitig auch die Nachteile. Da entsteht schon ein gewisser Druck. Es gibt auch Situationen in denen ich völlig entspannt bin. Wenn jetzt jemand schreibt ‚Deine Kuchen sehen scheiße aus‘, dann denke ich mir ‚Ja, stimmt.‘ (lacht) Da fällt mir noch ein anderes ganz blödes Beispiel ein. Ich hab im Fernsehen etwas laufen gehabt von Cesar Millan, das ist dieser sehr umstrittene Hundetrainer aus Amerika. Ich finde einige Sachen die der macht gut, andere nicht. Und mir haben dann unheimlich viele Leute geschrieben, dass sie den Typen nicht gut finden. Ich hab da auch super konstruktive Diskussionen gehabt, aber manche haben halt einfach geschrieben, wie ich meine Hunde nur so schlecht behandeln kann. Die sind halt direkt davon ausgegangen, dass ich den gut finde wenn ich den gucke und deshalb meine Hunde trete. Vielleicht sollten auch Leute die konsumieren mehr darüber nachdenken, wie manche Reaktionen bei ihrem Gegenüber ankommen. Dann würde man sicher auch den Druck ein wenig aus der Situation nehmen, wenn man den Leuten nicht ganz so schnell vor den Koffer kackt. Und dann gibt es halt Leute wie mich, die sich schnell vor den Koffer kacken lassen. Aber man lernt auch daraus. Vor zwei Jahren war ich noch wesentlich unentspannter, glaube ich. Aber ein bisschen Druck ist immer da.

MissGeek: Das klingt alles wahnsinnig anstrengend.

Kupferfuchs: Ich finde es halt teilweise nervig, weil ich eher ein Mensch in der sich denkt ‚leben und leben lassen‘. Aber das Positive überwiegt bei Weitem. Es gibt Wochen in denen man halt ein wenig dünnhäutig ist, wenn man zum Beispiel viel Stress hat. Und ich bin halt auch nicht so wie eine Bibi [BibisBeatyPalace], die nur die positiven Sachen verbreitet. Wenn ich mich genervt fühle sieht man das auch in Livestreams, wenn vielleicht Leute im Chat sehr anstrengend sind. Ich werd dann auch schon mal ein bisschen salty und bin dann schlechte gelaunt. Ich glaub, das kommt nicht gut an. Aber bei vielen Youtubern ist es so, dass die sich von ihrer Community erziehen lassen und sich dann unglaublich gefangen fühlen in ihrer Leidenschaft, und das möchte ich nicht. Ich nehme mir da immer Gronkh zum Beispiel, der kackt ja auch rum wenn dem was nicht passt. Oft wird das, was man sagt einfach sehr negativ ausgelegt. Es gibt Wochen, in denen kann ich das ignorieren und es gibt Wochen, da sitze ich abends eine Stunde mit demPhilipp zusammen und diskutiere, ob ich oder mein Gegenüber jetzt etwas Falsches gesagt hat, wer da jetzt kacke war und ob man so etwas in Zukunft vielleicht nicht mehr sagen sollte. Also man reflektiert unheimlich doll über sich selbst und sein Leben. Das kann auch gut zur Persönlichkeitsentwicklung beitragen, kann aber auch sehr anstrengend sein, wenn man sich nur im Kreis dreht.

Nadine und Phillip, ein unschlagbares Team privat und im Job (Quelle: https://luneandori.de/about-us/)

MissGeek: Wo wir gerade von Persönlichkeitsentwicklung sprechen, du hast einmal behauptet, dass du eigentlich ganz anders bist als in deine Videos und dich als sehr schüchternen Menschen bezeichnet. Davon merkt man ja überhaupt nichts. Wie machst du das?

Kupferfuchs: Also, in meinen Videos, das bin schon ich, aber das bin ich in meiner Komfortzone. Das bin ich, wenn ich unter Freunden bin. Und wirklich enge Freunde, das sind bei mir nur eine handvoll Leute. Der Rest, das sind gute Bekannte. So wie ich in meinen Videos bin wäre ich halt, wenn ich unter meinen besten Freunden bin, aber niemals unter Fremden. Eigentlich mag ich es überhaupt nicht gerne, beobachtet zu werden. Das ist ein totaler Widerspruch in sich. Auch jetzt im Sommer, wenn man als stark tätowierter Mensch in der Bahn angeguckt wird, finde ich das sehr unangenehm, obwohl man es den Leuten ja gar nicht verübeln kann. Am Anfang, bei den ersten Video Days zum Beispiel, ist es mir wahnsinnig schwer gefallen, vor den Leuten aus mir heraus zu kommen. Man wächst halt außerhalb seiner Komfortzone. Das ist wahnsinnig anstrengend für mich gewesen. Aber nach Tagen wie der RPC bin ich geistig immer noch komplett platt und vorher bin ich immer supersuper aufgeregt. Ich habe immer noch etwas Angst davor, so im Mittelpunkt zu stehen und öffentliche Auftritte machen mir immer noch Bauchgrummeln, aber es ist einfacher geworden. Aber ich würde nicht sagen, dass die Video-Nadine auch die Nadine unter Fremden ist. Das bin wirklich ich in meiner allerwohlsten Wohlfühlblase. Es fiel mir immer schwer so sein zu können, und Youtube ist da wirklich wie ein mentales Training, was ich die letzten vier Jahre gemacht habe um mehr ich selbst sein zu können, wenn ich unter Leuten bin. Wenn dann auch Leute vor mir stehen, die nicht wissen wie sie mich ansprechen sollen, sage ich immer ‚Komm, ich weiß wie du dich fühlst‘. Man nimmt den Leuten einfach viel ab in denen man sie vollquatscht und ihnen die Entscheidung nimmt, nach einem Foto oder Autogramm zu fragen. ‚Komm, wir machen noch ein Foto, hier hast du ein Autogramm, magst du mir noch irgendetwas erzählen?‘ – und dann sind die glücklich und realisieren meistens erst im Nachhinein, was eigentlich abgegangen ist und freuen sich aber, alles was sie wollten einmal abgeholt zu haben. So bekomme ich dann hinterher auch kaum noch Nachrichten wie ‚Hätte ich mich nur getraut dich anzusprechen oder nach einem Foto zu fragen‘. Ich finde das immer so krass, weil ich mir denke ‚Hä, das bin doch nur ich?‘ Aber es gibt so ein paar Leute auf Youtube, die ich auch mega feiere. Ich glaube Coldmirror könnte ich auch nicht ansprechen. (lacht) Ich kann das also ganz gut nachempfinden. Aber Übung macht den Meister.

MissGeek: Vor einiger Zeit kam von dir und Philipp eine Video zum Thema Selbstständigkeit und Selbstverwirklichung. Du hast das ja schon hinter dir und hast jetzt dein eigenes Modelabel, deine Pflegeserie und deinen Shop. Hast du deinen Traumjob gefunden, kann man das so sagen?

Kupferfuchs: Doch, auf jeden Fall. Aber das ist so ein bisschen wie die Jungfrau zum Kinde gekommen. Ich habe sehr, sehr viele berufliche Stationen durch. Das war alles Mögliche. Ich habe in einem Fitness Studio gearbeitet, habe Bauzeichner gemacht, ich habe ein Architekturstudium angefangen, ein Journalismusstudium, eine Ausbildung zur Bürokauffrau gemacht, ich habe tätowiert … ich wusste einfach nie, wohin mir mir. Und ich bin ja erst durch das Journalismusstudium zum Videos machen gekommen. Das hat einfach Spaß gemacht und diese ganze Textilgeschichte ist ja daraus erst entstanden. Ich sehe das so, dass Youtube einfach mein Hobby bleibt. Das ist so unbeständig, wenn ich das zu meinem Job machen würde, dann wäre ich sicher irgendwann eine arme Wurst, wenn der Algorythmus sich mal umstellt. Der Shop läuft kontinuierlich, der plätschert so vor sich hin. Das ist mein Job, in dem Sinne. Und das ist das Beste, was mir je passiert ist. Ich habe schon immer so ein Autoritätsproblem mit Chefs gehabt. Wenn ich der Meinung war, dass das was mir gesagt wurde falsch war, bin ich oft angeeckt. Ich war oft so unglücklich in meinen Berufen. Ich bin jetzt 30, ich glaube mit 26 habe ich die Selbstständigkeit angepeilt und mich mit 27 selbstständig gemacht. Und da hast du dann auch schon echt viele Stationen durch, denn ich habe halt mit 16 angefangen zu arbeiten. Wenn du dann die 10 Jahre durch hast und immer noch keine Fleck gefunden hast, wo du glücklich warst, dann fragst du dich auch ob irgendwas an dir verkehrt ist. Ob du einfach unfähig bist, dich ins Arbeitsleben zu integrieren, weil es ja eigentlich etwas sehr normales ist sich einen Job zu suchen und den dann zu machen. Für mich war jeder Tag auf Arbeit echt a pain in the ass, egal was ich gemacht habe. Selbst beim Tätowieren, wo ja jeder denkt, dass das ja eigentlich ein Traumberuf wäre. Ne, weil ich da eine Chefin hatte die meinte ‚Mach das so und so, mal die Rose so rum‘. Und dann werde ich auch schnell bockig und schmeiße alles hin, weil ich keinen Bock mehr habe. So war das halt mit allem. Aber mit der Selbstständigkeit habe ich auch echt Magenschmerzen gehabt. Es ist ja auch nicht so, dass ich damit jetzt super reich geworden bin. Es gibt auch Monate, da bin ich am 15. pleite, und es gibt Monate, da denke ich am 15. dann ‚Geil, läuft bei dir!‘ Gerade mit dieser Textilbranche hatte ich ja nie Berührungspunkte. Die ist sehr saisonal. Weihnachten und Ostern ist immer super, aber jetzt im Sommer kaufen die Leute halt nichts, da muss man dann ein bisschen gucken. Ich muss aber sagen, dass meine ganzen Arbeitsstellen mir sehr geholfen haben, Struktur in mein Geschäft zu bekommen. Der Shop besteht ja nur aus mir, einem Drucker und einer Verpackerin. Alles organisatorische mache ich. Das ist eine Heidenarbeit aber – warum auch immer – mein absoluter Traumberuf.  Ich bin bis oben hin zugeschissen mit Arbeit und verdiene nicht besonders viel, aber es macht mich super glücklich weil ich einfach mein eigener Chef bin und ich entscheide, was ich mache. Und ich, als Hardcore Stubenhocker kann auch von meiner Wohlfühlzone zu Hause aus arbeiten, habe meine Tiere um mich rum und kann Mittags auch mal schnell mit den Hunden raus. Ich bin beruflich da angekommen, wo ich hin wollte. Und hoffentlich bleibt das so. Die Angst, dass es jeden Tag vorbei sein könnte ist auch irgendwie da, dass keiner mehr etwas kauft und ich wieder ins Büro muss. Das wäre das Schlimmste, was passieren könnte.

Seit dem 05. Oktober kann man Nadines vegane Haarpflegeserie Lune & Ori online erwerben. Ihre neue Herbstkollektion wird nächsten Freitag, am 09. November, auf Copperfox Clothing veröffentlicht. 

Den zweiten Teil unseres Interviews präsentieren wir euch am Mittwoch, dem 07. November. 

One thought on “„Man wächst halt nur außerhalb seiner Komfortzone.“- Ein Interview mit Kupferfuchs: Teil 1

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert