„And now we rule the world!“
Die fünfte Staffel von Game of Thrones hat ihr Ende gefunden und einige in Aufruhr versetzt, doch für diesen Monat ist noch lange nicht Schluss mit der Aufregung um die Buchreihe „A Song of Ice and Fire“: Der Autor himself stattete seinen deutschen Fans in Hamburg einen Besuch ab.
Aufregung pur vor Beginn der Lesung, was von unzähligen Kamera-Teams, die nach der Vorfreude der Fans fischten, noch geschürt wurde. Für die Meisten wirkte es immer noch so unwirklich: Wir sehen gleich den Mann, dem wir Stunden gefüllt mit Geschichten aus Westeros und Tränenausbrüche vor dem Fernseher zu verdanken haben.
Am meisten aufgeregt war wohl der Moderator des Abends, ein Literaturkritiker, der deutlich spürbar ein wahrer Martin-Fanboy war und dem Autor wohl während der Lesung am liebsten auf den Schoß geklettert wäre.
Ein längeres Interview über seine Kindheit und sein gegenwärtiges Leben sollte alle Fans befriedigen und vertrösten, dass sie nicht selbst die Chance hatten, Fragen zu stellen.
Bei dem Interview wurde eins über Martin schnell klar: Er hat das Herz eines kleinen Kindes.
Die ersten Geschichten seien mit kleinen Sammelfiguren entstanden, Aliensammelfiguren die sich gegenseitig bekriegen. Die Anekdote über eine kleine, gelbe Alienfigur mit einer undefinierbaren Waffe beweist allen Game of Thrones-Fans, was wir alle schon geahnt haben: Schon im zarten Alter von acht Jahren hatte Martin einen Hang zur Blutrünstigkeit und lies den bewaffneten Alien seine Kumpanen foltern. Kommt einem das nicht irgendwie bekannt vor? Martin lachte bei dieser Erzählung wissentlich.
„Hast du viele Freunde gehabt?“, fragte der Moderator. Eine wohl etwas unverschämt Frage, auf die auch alle gespannt die Luft anhielten und auf die Reaktion von Seiten Martins warteten. Doch der Amerikaner lie? sich nichts anmerken: „Ein paar.“ Damals seien die Leute, die Comics, Bücher und Schach mochten, so wie er, noch eine Randgruppe von Freaks gewesen. „And now we rule the world!“, rief Martin und löste tosenden Applaus aus.
Er zählt sich selbst also immer noch dazu. Ein Fan, trotz seines Erfolges.
Der Moderator sprach ihn während des Interviews auf seine Leidenschaft für Comics und eine ganz bestimmte Geschichte dazu an. Bereits als Kind war George R. R. Martin ein großer Comic-Fan, ob DC oder dann beim Aufstieg von Marvel. Und als echter Fan habe er sogar einen Brief an Stan Lee geschrieben, an den der Autor sich lachend erinnert. „It was greater than great“, zitiert der Moderator der Lesung Martins Brief und zeigt allen Anwesenden, dass der von allen so bewunderte Autor gar nicht so anders ist als wir.
Heute ist George R. R. Martin ein gefeierter Autor, der sich vor Aufmerksamkeit kaum retten kann. Dabei würde er diese Aufmerksamkeit gar nicht mal schätzen, erzählt er. „Ich wohne auch immer noch in dem gleichen Haus“, fügt er hinzu, „Naja, ein Weiteres ist für mein Büro hinzugekommen.“ „Und eins für deine Bücherei?“, hakt der Moderator nach. Martin nickt.
Gerade das macht den kauzigen Ami sympathisch. Er macht einen sehr bodenständigen Eindruck. Es habe sich in den letzten Jahren viel geändert. Nur nicht die Arbeit. „Ich schwitze noch immer vor jedem einzelnen Wort. Vor jedem einzelnen Satz, um ihn so perfekt wie möglich zu machen“, sagt Martin, „Genauso wie bei meinem ersten Buch.“
„Ich bin in der falschen Zukunft“
Erste Schritte in der Literaturwelt, abseits von Comics, machte George R. R. Martin im Science Fiction Genre. Da er in seiner Kindheit nur sehr selten aus seiner gewohnten Umgebung herauskam, träumte er sich mit diesen Romanen auf weit entfernte Planeten und in fremde Galaxien. Höchstens in der Weihnachtszeit fuhr er mit seinen Eltern nach New York, um sich die Weihnachtsparade anzusehen.
Das Science Fiction Genre war in seiner Kindheit dafür da, um sich in eine bessere Zukunft zu wünschen. Fest verankert war der Glaube, dass es mit dem Fortschritt der Technik besser werden würde. „Ich bin in der falschen Zukunft“, lachte Martin in Hamburg etwas bitter, „ich wünschte mit eine Zukunft mit fliegenden Autos und Reisen zum Mond!“ Heute, wo wir die Handlungszeit mancher
SciFi Romane schon eingeholt haben, dominiert der Klimawandel, Terrorismus und anderer Schrecken unsere Zeit. Vom Glanz, der in den Romanen versprochen wurde, ist nichts zu sehen.
„Als die ersten Amerikaner auf dem Mond waren, sah ich es als großen Fortschritt. Ich finde es unverständlich, dass die Regierung das Raumfahrtprogramm wieder beendet hat“, so der Autor.
Kein Wunder also, dass sich das Fantasy Genre immer mehr Beliebtheit erfreut. Die Hoffnung, dass es so toll wird wie in Star Trek und anderen Zukunftsvisionen, ist längst vergangen, sodass einem nur noch der Blick zurück bleibt. Und was bietet sich da mehr an, als die Welt der Fantasie? Und natürlich die Weiten Westeros‘ …
Zur großen Überraschung aller las George R. R. Martin tatsächlich ein Kapitel aus seinem nächsten Buch „Winds of Winter“. „Die Leute, die jetzt nur die HBO Serie kennen… Ihr habt jetzt Pech gehabt“, eine kleine Ernüchterung für alle „nur“ Serien Fans. Es fing schon mit der Protagonistin des Kapitels an, die überhaupt nicht in der Serie auftaucht… Mehr verraten wir an dieser Stelle aber nicht.
„So, das waren jetzt 18 Seiten“, sagte Martin zum Schluss, „4100 muss ich noch schreiben.“